Auseinandersetzung mit Behinderung in der NS-Zeit am Beispiel der Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling
Kurzbeschreibung des Forschungsprojekts
Im Sparkling Science-Projekt „'Geschlossene Anstalt?' Die Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling in der NS-Zeit und im kollektiven Gedächtnis" untersucht das Team mit zwei Schulklassen der Fachschule Amstetten, Aufbaulehrgang Wirtschaft (ALW) die Ermordung von etwa 1.800 Patienten und Patientinnen der Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling bei Amstetten in Niederösterreich. Die Vernichtung sowohl von jüdischen als auch von „erbkranken“ und als „lebensunwert“ kategorisierten Menschen basierte auf den pseudowissenschaftlichen Lehren der Eugenik und diente der Utopie, einen „gesunden Volkskörper“ zu erschaffen.
Der Fokus in der Forschung dieses Projekts richtet sich nicht direkt auf die Geschehnisse, sondern auf die Informationen, die davon nach außen drangen.
Mauer-Öhling war keine „geschlossene Anstalt“, sie war einer der größten Arbeitgeber der Region, betrieb einen Wirtschaftshof, hatte selbstverständlich ärztliches und Pflegepersonal und nicht zuletzt Hunderte Besucherinnen und Besucher der Patienten und Patientinnen. Forschungsthema ist nicht nur das zeitgenössische Wissen, sondern vor allem auch dessen Spuren im heutigen familiären und kollektiven Gedächtnis des Raums Amstetten. Dieses wird anhand von Medienrecherche und offenen Interviews mit Angehörigen von Opfern, Personal und sonstigen in das Anstaltsleben involvierten Personen erhoben.
Die Fachschule Amstetten liegt nicht nur in relativer Nähe des Landesklinikums Mauer, der Lehrplan des Schwerpunkts „Gesundheit und Soziales“ enthält auch Themen zu Psychiatrie und Gesellschaft. Daher ist die Auseinandersetzung mit „Gesundheit“ und „Behinderung“ in ihren historischen Konstruktionen grundlegend wichtig.
Themenanregungen für VWA und Diplomarbeit
- Vor allem für die angestrebte Tätigkeit in einem Sozial- oder Pflegeberuf oder im Pflegemanagement wird es besonders hilfreich sein, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was „Behinderung“ im Laufe der Geschichte bedeutete: von der Wertschätzung „Verrückter“ als Auserwählte Gottes bis zur vernichtenden Kategorisierung als „lebensunwert“ können die unterschiedlichen kulturellen Konstrukte und Zuschreibungen von „Behinderung“ und „Behinderten“ sowie die medizinischen, sozialen und politischen Inhalte und Auswirkungen auf die Betroffenen erarbeitet werden. Auf der methodischen Basis der „Disability Studies“ und der „Disability History“ liegt das Ziel darin, Behinderung als „zeitgebundene Kategorie“ (Waldschmidt) zu begreifen. Damit in Zusammenhang stehen das Weltbild, die Haltung und das Verhalten von Ärztinnen und Ärzten und Pflegepersonal und ihre möglichen Handlungsspielräume.
Einstiegsliteratur
Literatur
- Gerhard Baader, Veronika Hofer, Thomas Mayer (Hg.), Eugenik in Österreich. Biopolitische Strukturen von 1900–1945. Wien 2007.
- Elsbeth Bösl, Was ist Disability History? Zur Geschichte und Historiografie von Behinderung. In: Dies., Anne Klein, Anne Waldschmidt (Hg.), Disability History. Konstruktionen von Behinderungen in der Geschichte. Eine Einführung. Bielefeld 2010, 29–44.
- Markus Dederich, Körper, Kultur und Behinderung. Eine Einführung in die Disability Studies. Bielefeld 2007.
- Volker Schönwiese, Behinderung und Pädagogik – eine Einführung aus Sicht behinderter Menschen, Hagen 1997.
- Anne Waldschmidt, Soziales Problem oder kulturelle Differenz? Zur Geschichte von „Behinderung“ aus der Sicht der „Disability Studies“. In: Traverse. Zeitschrift für Geschichte, Revue d’Histoire, Bern, 13. Jg., Heft 3 (2006), 31–46.
Links
- Biographien des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim, Doi (Zugriff am 29.06.2018).
- Biographien von Opfern der NS-“Euthanasie“-Verbrechen, Doi (Zugriff am 29.06.2018).
- Biographisches Archiv der Psychiatrie, Doi (Zugriff am 29.06.2018).
- Biographien aus der sächsischen Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, Doi (Zugriff am 29.06.2018).