Niederösterreich: Zwangsmigrations- und Integrations-/Inklusionsraum in der Nachkriegszeit
Kurzbeschreibung des Forschungsprojekts
Österreich war und ist Transit- und Zielland von Fluchtbewegungen. Alleine in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte Österreich einige große Flüchtlingswellen. Mit rund einer Million Flüchtlingen stellten die Folgen der NS-Aggression mit Abstand die größten humanitären und inklusiven/integrativen Herausforderungen an die österreichische Gesellschaft im 20. Jahrhundert dar, dicht gefolgt von den Fluchtbewegungen infolge der Ungarnkrise 1956 mit rund 170.000 Betroffenen.
Vor allem für diese Migrationsbewegungen spielte Niederösterreich eine bedeutende und auch vielfältige Rolle. Die räumliche Betroffenheit durch die Vertreibung der deutschsprachigen Minderheit aus der Tschechoslowakei 1945/46 sowie die Präsenz zig Tausender vertriebener Deutscher aus anderen Regionen Zentral- und Südosteuropas, von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sowie Kriegsgefangenen aus ganz Europa, aber auch Flüchtlingen aus der Tschechoslowakei ab 1948, machten aus Niederösterreich einen Migrations- aber auch Integrations-/Inklusionshotspot.
Aktuelle Entwicklungen sind als nichts „Neues“, nicht nur für Niederösterreich, sondern insgesamt für die Republik. Während sich die Forschung bereits allgemein mit der Nachkriegsmigration und den staatlichen Maßnahmen befasst hat, fehlen zu dieser wichtigen Migrationsphase umfangreiche empirische Studien zu Fragen der konkreten Situation der Flüchtlinge im Aufnahmeraum Niederösterreich und zu ihrem weiteren Schicksal (Repatriierung, Re-Emigration oder Integration/Inklusion), aber auch zu den Folgen für die Aufnahmegesellschaft.
Genau hier setzt dieses Teilprojekt des FV Migration an – so werden zunächst einerseits die Tätigkeit der zuständigen öffentlichen Stellen und andererseits die Lebensrealitäten und -chancen von nach Niederösterreich geflohenen Flüchtlingen beleuchten. Auf das weitere Schicksal der Betroffenen soll besonderes Gewicht gelegt werden – blieben sie in Österreich? Kehrten sie nach dem Ende der Kampfhandlungen alsbald nach Hause zurück? Oder emigrierten sie in andere „Gastländer“ weiter? In diesem Rahmen wird das Forschungsprojekt auch auf die Motive eingehen, die hinter der Migration und der Entscheidung für das weitere Schicksal standen. Zudem wird die Rolle der Aufnahmegesellschaft selbst untersucht werden d. h. wie diese auf die Ankommenden reagierte und wie mit der Herausforderung umgegangen wurde.
Zum Anschauen
Weitere Informationen: http://bik.ac.at/forschungsnetzwerk-interdisziplinaerer-regionalstudien-first
Themenanregungen für VWA und Diplomarbeit
- Arbeiten und Studien zu einzelnen Gruppen von Flüchtlingen, Displaced Persons und expellees im Nachkriegsösterreich
Einstiegsliteratur
- Gernot Heiss – Oliver Rathkolb (Hg.), Asylland wider Willen: Flüchtlinge im europäischen Kontext seit 1914. Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Geschichte und Gesellschaft. Bd. 25. Wien 1995.