Kriegsgefangene in Österreich(-Ungarn) 1914-1918. Zwangsarbeit und Gewalt
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Hunderttausende „Feindsoldaten“ gerieten im Laufe des Ersten Weltkriegs in österreichisch-ungarische Gefangenschaft. Auf die große Masse an Kriegsgefangenen war Österreich-Ungarn 1914 nicht vorbereitet. Der Donaumonarchie fehlten zunächst Verwaltungs- und Organisationsstrukturen, um die feindlichen Armeeangehörigen unterzubringen, zu versorgen und zu bewachen. Die k.u.k. Heeresverwaltung ließ noch Ende 1914 die ersten von insgesamt rund 50 großen Kriegsgefangenenlagern und Kriegsgefangenen-Gewerbelagern errichten. Konzipiert waren sie für mindestens 10.000 Mann inkl. Notbelegung, manche sollten dann aber mehr als 40.000 Mann beherbergen.
Aufgrund mangelhafter sanitärer und hygienischer Ausstattung waren die Zustände in den Lagern in den ersten Kriegsmonaten katastrophal, woraufhin eine Flecktyphusepidemie ausbrach, die im ersten Kriegswinter grassierte und an der Tausende Gefangene zu Grunde gingen. Mit dem Abklingen der Epidemie im Frühjahr 1915 einhergingen verschiedene Änderungen im Kriegsgefangenenwesen. Ab 1915 erlangte die Gefangenenarbeit immer größere Bedeutung. Kriegsgefangene wurden in mobile und stabile Kriegsgefangenen-Arbeiter-Partien eingeteilt und außerhalb der Lager eingesetzt. Man benötigte ihre Arbeitskraft in der Landwirtschaft ebenso wie im Industriesektor. In den Lagern blieben nur kriegsgefangene Offiziere, kranke und arbeitsunfähige Entente-Soldaten zurück. Kriegsgefangene Offiziere waren gemäß den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung, die den Umgang mit Kriegsgefangenen normieren sollte, vom Arbeitsdienst ausgenommen. Vor allem sie versuchten den eintönigen Alltag hinter Stacheldraht mit verschiedenen Beschäftigungen (Theater, Musik, Bibliotheken, Unterricht, Sport, handwerkliche Betätigung) zu bewältigen.
Während die Behandlung und Lage der Gefangenen im Hinterland durch Inspektionen etwa von Delegationen der Schutzmächte einer gewissen Kontrolle unterworfen waren, galt dies in der Regel nicht für die im Etappen- und Frontraum zum Kavernenbau, zur Schneeräumung, zum Seilbahnbau oder als Lastenträger eingesetzten Gefangenen. Mit fortschreitendem Kriegsverlauf und angesichts einer sich zuspitzenden „Ernährungskrise“ verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen. Die Gefangenen waren unternährt und entkräftet. Fluchtversuche mehrten sich und auch die Disziplin unter den Gefangenen ließ merklich nach. Die Revolutionen 1917 in Russland und die damit verbundenen grundlegenden politischen Veränderungen hinterließen auch ihre Spuren bei den Kriegsgefangenen in Österreich-Ungarn, die immer stärker nach Hause drängten. Ungeachtet des Friedensvertrages von Brest-Litowsk im März 1918 waren bis zum Zerfall der Habsburgermonarchie lediglich etwa 60.000 Russen in ihre Heimat entlassen worden. Die Heimkehr der zu Kriegsende noch auf ehemals habsburgischem Territorium befindlichen Feindsoldaten verlief in Anbetracht der tiefgreifenden Umwälzungen in den nunmehrigen Nachfolgestaaten der Monarchie und in anderen ehemals kriegführenden Ländern meist chaotisch.
vwadb.detail.links
Die Internetseite des Projekts: http://www.pows-ww1.at/
vwadb.detail.suggestions
- Lebensbedingungen in der Kriegsgefangenschaft
- Verhältnis/Beziehungen zwischen Kriegsgefangenen und der österreichisch-ungarischen Zivilbevölkerung
- Mediale Berichterstattung über Kriegsgefangene in Österreich-Ungarn
- Arbeitseinsätze von Kriegsgefangenen
- Beurteilung/Bewertung von Kriegsgefangenschaft in Österreich-Ungarn in den Nachkriegsjahren
- Ausländische/Internationale humanitäre Hilfe für Kriegsgefangene (Kriegsgefangenenfürsorge) im Habsburgerreich,1914-1918
- Kriegsgefangenschaft in der Geschichte (Überblick)
vwadb.detail.literature
Hannes Leidinger, Verena Moritz, Verwaltete Massen. Kriegsgefangene in der Donaumonarchie 1914-1918, in: Jochen Oltmer (Hg.), Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkriegs [KRiG, 24], Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 35-66.